Unsere Orgel hat schon viel erlebt!

Nun wurde die 1822 von Christian Bethmann erbaute Bordenauer Orgel 200 Jahre alt und die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen. Schon nach 60 Jahren schien das Instrument den Bordenauer Ansprüchen nicht mehr zu genügen. Also wurde das Instrument 1881 von dem hannoverschen Orgelbaumeister Folkert Becker durch die Hinzufügung von 5 Pfeifenregistern um 5 neue Klangfarben erweitert. Für etwa 250 Pfeifen und eine neue Windanlage musste zusätzlicher Platz geschaffen werden, was erhebliche Umbauten mit sich brachte! Da die ursprünglich fast winzige Empore das alles nicht hergab, war sie schon 1862 vom Zimmermeister Rischbieth entsprechend deutlich vergrößert worden. Das Orgelgehäuse wurde um einen guten Meter nach hinten vertieft, entsprechend wurde das Instrument weiter nach vorne in den Kirchenraum versetzt und der Spieltisch des Organisten wanderte von der nördlichen/rechten Seite (Pfeil!) an die Orgelfront. 

Das historische Foto von 1957 aus dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege zeigt noch den alten Treppenaufgang zur Orgel und lässt an der rechten Orgelseite den Spieltisch erahnen. 

Dem ursprünglichen „Hauptwerk“ wurde ein „Oberwerk“ hinzugefügt, welches mittels einer zweiten Tastenreihe, also dem Ober-Manual, gespielt wurde. Der „Königliche Amtshauptmann des Amts Neustadt a.R.“ bezeichnete dieses umfangreiche Projekt in seinem Schreiben vom 11. April 1881 als „Vervollständigung des Orgelwerkes“, als hätte uns der Hoforgelbauer Bethmann aus Linden eine unvollständige Orgel hinterlassen! Hoffentlich erleichterte die Formulierung „Vervollständigung“ wenigstens die Finanzierung dieser Orgelerweiterung. Glücklicherweise blieb der originale und uns heute so vertraute Bethmann-Prospekt erhalten. Eine böse Verschlechterung erfuhr unsere Orgel knappe 60 Jahre später: Der 1. Weltkrieg ging nicht spurlos an der Orgel vorbei. Alle von vorne so gut sichtbaren 39 Prospektpfeifen aus Zinn mussten für militärische Zwecke eingeschmolzen werden. Der Hannoversche Hof-Orgelbauer Furtwängler & Hammer schreibt am 31. Januar 1918: „Wir teilen ergebenst mit, daß die von uns z.Zt. ausgebauten Prospektpfeifen sämtlich der Heeresverwaltung abgeliefert sind. Die Pfeifen sind des Transportes wegen sozusammengestampft, daß sie nicht wieder gebrauchsfertig hergestellt werden können!“ 

Nach weiteren gravierenden Eingriffen erfolgten die letzten Überarbeitungen der Orgel 1970 und 1996 durch die Orgelbauwerkstatt Hillebrand aus Altwarmbüchen. Im Hauptwerk wurde ein tiefes Register ausgetauscht gegen die hoch klingende Sifflöte 1 ́, das Zungenregister der Trompete 8 ́ kam neu hinzu, ebenso ergänzt wurde die Mixtur. Die vier Register des Obermanuals wurden so umgebaut, wie wir sie heute auf den Registerknöpfen vorfinden. Das tiefe Pedal wurde um ein Register erweitert und an der Stelle der Posaune 16 ́ eine Trompete 8 ́ eingebaut. Immerhin ein Lichtblick: Die provisorischen Zinkpfeifen des Prospektes wurden nach manchen „Verschlimmbesserungen“ durch Zinnpfeifen ersetzt. 

Im Laufe seines Lebens mutierte das fast noch barocke Instrument in der Summe aller Veränderungen zunehmend zu einer schwergängigen, windstößigen, charakterlosen neobarocken Orgel, die jetzt nur darauf wartet, vom farblosen Leben der „eierlegenden Wollmilchsau“ befreit zu werden, um ihre ursprüngliche klare Charakteristik wieder optimal zu Gehör bringen zu können. 

                                                      Text und Fotos: Hanns Stahmer